Premium Qualität – auch ohne Bio-Siegel?

Verbraucher stützen sich gerne auf Siegel und Labels, da sie bei der Vielzahl an Produkten eine gute Orientierungshilfe darstellen. Seit 2001 steht das deutsche sechseckige Bio-Siegel für ein Mindestmaß an Tierwohl, das in der Massentierhaltung nicht mal annähernd gewährt wird. Im Juli 2010 wurde dieses vom EU-Bio-Siegel (grünes Blatt mit 12 Sternen) abgelöst. Demeter, Neuland oder auch Bioland haben hingegen deutlich detailliertere Auflagen, die den Tieren eine noch artgerechtere Haltung ermöglichen. Aber was ist eigentlich mit den Bauernhöfen und Produzenten, die nichts dergleichen haben? Sind die automatisch schlecht oder weniger vertrauenswürdig? 

Bauernhöfe ohne Siegel, aber mit besseren Bedingungen für die Tiere

Wir Deutsche stehen einfach auf Siegel, Testsieger und andere Orientierungshilfen. Doch sie können auch eine Form der Einschränkung darstellen. Ein ziemlich gutes Beispiel dafür ist das Bio-Siegel, wie das der EU-Öko-Verordnung. Denn es ist nicht so, dass ein Landwirt sich nur prüfen lassen muss und dann seine Waren entsprechend labeln darf. Um das Siegel nutzen zu dürfen und Verbrauchern mit einem Blick zu zeigen, dass es sich um ein Lebensmittel handelt, das gewisse ökologische Standards erfüllt, braucht man Geld. Die Zertifizierungskosten können und wollen einige Produzenten (vor allem junge Unternehmen) oder Landwirtschaftsbetriebe nicht aufbringen. Aber sind die Produkte deshalb schlechter? Nein. Wir zeigen euch anhand unseres Schweinefleisches warum.

Freilandhaltung, Futter vom eigenen Bauernhof und jede Menge Platz

Ein perfektes Beispiel dafür ist das AWO Reha-Gut Kemlitz, mit dem auch wir zusammen arbeiten. Der ganze Prozess vom Ferkel bis zu den Fleischwaren ist auf das Wohl der Tiere gemünzt. Nicht ganz uneigennützig, denn unsere Märkischen Kartoffelschweine danken es mit hervorragender Fleischqualität. Die kleinen Ferkel werden zu Beginn in großzügigen Ställen komplett ohne Spaltenböden gehalten. Auch die erwachsenen Tiere haben im Winter eine entsprechende Rückzugsmöglichkeit, die ebenso ohne Spaltenböden angelegt sind. Die EU-Öko-Verordnung hingegen erlaubt bis zu 50% Spaltenböden. Im Hinblick auf den Platz werden 1,5 qm Stall- und 1,2 qm Außenfläche pro Schwein (ab 110 kg) vorgeschrieben. Sowohl die Stallungen als auch die Außenflächen auf dem AWO Reha-Gut Kemlitz übertreffen diese Vorgaben bei weitem.

Auch das Futter wird primär vom eigenen oder auch von befreundeten Höfen aus der direkten Umgebung bezogen. Hingegen müssen lt. EU Verordnung für Schweine und Geflügel gerade mal 20% des Futters vom eigenen Betrieb* oder aus der Region stammen. Es gibt weiterhin keine Vorschriften im Hinblick auf die Grünfütterung und bspw. Schweine dürfen auch mit Fischmehl gefüttert werden.

Auch erlaubt sind Bauernhöfe, die sowohl konventionell als auch ökologisch wirtschaften. Ob sich da nicht doch mal das ein oder andere Pestizid verirrt? Ausschließen lässt sich das sicherlich nicht.

Laut der EU dürfen Transportwege bis zu 8 Stunden dauern. 8 Stunden! 

Zwar muss ein solche langer Transportweg von Tieren separat beantragt werden, es wird jedoch nicht ausgeschlossen. Natürlich kommt auch bei uns der Tag, an dem unser Märkisches Kartoffelschwein den Weg zum Schlachter antreten muss. Der Transportweg ist jedoch so gering wie möglich gehalten und beträgt keine Stunde. Mit einem Gewicht von 160-180 kg werden sie einzeln vom Bauern selbst zum Landschlachter gebracht, um den Stresspegel so gering wie möglich zu halten.

Übrigens gibt es auch im Hinblick auf das Mastendgewicht wesentliche Unterschiede. Häufig werden Schweine sowohl in der konventionellen als auch in der Bio-Schweinezucht um die 125 kg Lebendgewicht geschlachtet. Das hat vor allem wirtschaftliche Gründe. Sollen Schweine darüber hinaus weitere Kilos anlegen, so ist der Futterverbrauch deutlich höher. Zudem sind die Schlachtbetriebe auf bestimmte Größen genormt, um die Massen abfertigen zu können.

Es ist nicht lange her, da ging der Skandal um den Bio-Schlachtbetrieb im Land Brandenburg durch die Presse. Bio ja, aber es bleibt dennoch eine Massenschlachtung. Und sobald es um Masse geht, können Fehler passieren. Wir können uns sicher sein, dass unser Partner die Schlachtung behutsam und gewissenhaft durchführt – auch ohne Öko-Siegel.

Nicht nur Bio steht also für Qualität

Natürlich wollen wir das Siegel nicht schlecht machen. Die EU-Öko-Verordnung steht für ein Mindestmaß an Tierwohl und bleibt ein wichtiger Schritt in Sachen Tierschutz. Wir möchten euch nur dafür sensibilisieren, dass es nicht der Weisheit letzter Schluss ist. Es lohnt einfach, sich genauer mit den Bezugsquellen und Produzenten auseinanderzusetzen. Gerade auf Wochenmärkten oder mittlerweile eben auch in Online-Shops ist es nicht ungewöhnlich, höchste Qualität ohne ein Siegel zu erhalten.

Quellen:
https://www.umweltinstitut.org/fileadmin/Mediapool/Downloads/07_FAQ/Lebensmittel/vergleich_richtlinien.pdf
https://www.bmel.de/DE/Landwirtschaft/Nachhaltige-Landnutzung/Oekolandbau/_Texte/EG-Oeko-VerordnungFolgerecht.html
https://www.oekolandbau.de/fileadmin/redaktion/oeko_lehrmittel/Fachsschulen_Agrar/Landwirtschaft/flw_modul_a/flw_a_03/flwma03_20.pdf
https://www.lwk-niedersachsen.de/index.cfm/portal/6/nav/426/article/13964.html